Die weiße Linie stellt die flexible Verbindung zwischen der Hufwand (türkis) und der Sohle (lila) dar. Wand und Sohle bestehen aus Harthorn und sind deutlich weniger beweglich, aber auch wiederstandsfähiger, als die weiße Linie (orange und gelb). Die weiße Linie ist lamellenartig aufgebaut. Einen Teil dieser Lamellen bilden die Wandhornblättchen (orange) , die mit der Hufwand verwachsen sind und sich, wenn die Hufwand wächst, Richtung Boden schieben. Den 2. Teil der Lamellenlamellenschicht bildet das Füllhorn (gelb) , das sich lediglich im Bereich der Sohle befindet und fest verzahnt über die Wandhornröhrchen mit der Hufwand nach unten wächst. Genau genommen befindet sich die Weiße Linie also nur im unteren Hufbereich, so hoch, wie die Hufsohle dick ist.
Dem Hufbein (weiß) liegt die gut durchblutete Huflederhaut (rot) auf. Diese ist ebenfalls lamellenartig aufgebaut und geht eine Verbindung mit den Wandröhrchen (orange) ein, ist aber nicht fest mit diesen verwachsen. Dadurch können sich die Wandröhrchen mit der wachsenden Hufwand nach unten schieben, die Lederhaut bleibt aber an Ort und Stelle. Diese Verbindung zwischen Wandröhrchen und Lederhaut ist Teil des Hufbeinträgers.
Die weiße Linie bildet eine elastische Verbindungsschicht zwischen Sohle und Hufwand. Aber wusstet ihr, dass die Eckstreben auch aus Wandhorn bestehen und sie ebenfalls eine weiße Linie als Verbindung zur Hufsohle haben? Am frisch bearbeiteten Huf sieht man es besonders gut, achtet mal drauf. Die weiße Linie verläuft also von einem Ende der Eckstreben, rund um die Sohle, der Wand entlang bis zum anderen Ende der Eckstreben.
Die Eckstreben geben dem Huf Stabilität, ermöglichen aber gleichzeitig, dass der Huf sich beim Auffußen im hinteren Bereich weiten kann.
Wenn man so will, rahmt die weiße Linie die Sohle, ausgenommen dem Bereich Richtung Strahlspitze ein und bildet so eine flexible, aber elastische Trennschicht zischen zwei Bereichen aus Harthorn, also Sohle und Wand.
Die weiße Linie als "Spiegelbild" des Hufbeinträgers
Der gesamte lamellenartige Verzahnungsbereich zwischen den Wandhornblättchen (orange) und der Wandlederhaut (rot), sowie die Gesamtkonstruktion des Hufes bilden den Hufbeinträger. Dieser ist dreidimensional und bildet eine elastische Tragestruktur. Diese Konstruktion macht es möglich, dass die Druckkraft (blauer Pfeil), die durch das Pferdegewicht auf dem Hufbein lastet, in Zugkraft (lilane Pfeile) umgewandelt wird. Das gesamte Pferdegewicht ist, wenn man so will, in der Hornkapsel aufgehängt. Vereinfacht kann man es sich so vorstellen, als hätte das Pferd unter jedem Huf ein kleines Trampolin, dass die Kraft bei jedem Schritt verteilt und zurückfedert.
Durch die Auffaltungen der Wandhornblättchen (orange) und der Lederhaut (rot) wird die Oberfläche stark vergrößert. Man spricht bei einem durchschnittlichen Huf von ca. 2,4qm Fläche der Lederhaut pro Huf, die durch diese Auffaltungen entstehen.
Die weiße Linie bildet die Verlängerung des Hufbeinträgers. Die eine Hälfte der weißen Linie besteht aus Wandhornblättchen (orange), wie auch der Hufbeinträger. Die andere Hälfte besteht in der weißen Linie aus Füllhorn (gelb) zur Sohle hin. Dadurch, dass sie die Wandhornblättchen vom Hufbeinträger sich in der weißen Linie fortsetzen, sind über den Zustand der weißen Linie Rückschlüsse auf eine krankhafte Veränderung im Hufbeinträger möglich.
Eine Veränderung kann beispielsweise durch eine Rehe, eine unphysiologische Hufform, ungleichmäßige Belastung oder die Zersetzung durch Destruenten, also Pilze und Bakterien, auftreten.
Hilfe, mein Pferd hat Dreck in der weißen Linie
Natürlich würde man es sich wünschen, dass jede weiße Linie intakt & geschlossen ist & sich eben kein Dreck reinsetzen kann. Wirklich beurteilen kann man dies jedoch nur am frisch bearbeiteten Huf. Hat ein Pferd beispielsweise viel Zerfallshorn auf der Sohle oder gar eine Doppelsohle, kann der Eindruck täuschen & es sieht aus, als ob die weiße Linie verbreitert wäre oder Dreck in der weißen Linie sitzt, dabei ist nur zu viel Material vorhanden. Nach dem Bearbeiten sieht die Sache dann schon wieder ganz anders aus.
Ob & in welchem Ausmaß Dreck in der weißen Linie schlimm ist & wann Handlungsbedarf besteht, ist mal wieder individuell zu entscheiden. Ist nur geringfügig Dreck in der weißen Linie & ich finde beim Ausschneiden die intakte weiße Linie wieder ohne viel freischneiden zu müssen, wie auf dem 2. Bild zu sehen, ist genug weiße Linie intakt, um dies einfach so zu belassen & bei der nächsten Bearbeitung zu schauen, ob es besser geworden ist. Einen Hinweis auf Destruenten, die sich in die weiße Linie gefressen haben, habe ich in diesem Fall nicht gefunden. Es sieht eher danach aus, als wäre es eine mechanische Geschichte.
Wichtig ist immer das Geaamtbild
- Passt die Hufbearbeitung und der Bearbeitungsintervall zum Pferd?
- Verändern sich die Hufe von Bearbeitung zu Bearbeitung zum Positiven?
- Gab es eine Haltungsumstellung & haben sich die Bödenverhältnisse verändert (auch plötzlicher Frost kann eine Ursache sein)?
- Stimmt die Stallhygiene?
- Hat das Pferd Vorerkrankungen oder Stoffwechselprobleme?
- Auf welchen Böden wird es gehalten? Auf welchen Böden wird es geritten?
Die Ursachen können also vielseitig sein. In diesem Fall war das Bearbeitungsintervall nur ein bisschen lang gewählt, beim nächsten Mal dürfte das Problem ohne weiteres Zutun behoben sein, weil wir den nächsten Termin kürzer gewählt haben. Eine Auswirkung auf den Hufbeinträger dürfte es in diesem Fall nicht haben, weil der Dreck nur oberflächlich in der weißen Linie saß & genügend weiße Linie vorhanden ist bis zum Hufbeinträger.
Steinchen in der weißen Linie und zwischen den Wandhornschichten
Gelegentlich kommt es vor, dass sich kleine Steinchen in die weiße Linie setzen und/oder sich zwischen die einzelnen Schichten der Hornwand setzen und diese spalten.
Ist so etwas passiert, kommt immer wieder die Frage, ob diese Steinchen vom Pferdebesitzer entfernt werden sollen oder nicht. Große Steine sollten natürlich entfernt werden, bei kleinen ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sich wieder neue rein setzen und nichts gewonnen ist.
Das Gerücht, Steinchen in der weißen Linie würden innen an der Wand entlang nach oben wandern und Hufgeschwüre verursachen, können wir nicht bestätigen. Sonst müsste ja das Steinchen auch irgendwie wieder aus dem Huf raus kommen. Deshalb würden wir nicht sagen, Steinchen verursachen unbedingt Hufgeschwüre. Ist ein Huf aber in einem schlechten Zustand, kann es aber natürlich vorkommen, dass viele Faktoren Hufgeschwüre begünstigen und sich auch Steinchen durch die ungünstige Hufsituation in der weißen Linie befinden.
Wenn man so will, sind diese festgesetzten Steinchen mal wieder nur ein Symptom. Tritt dieses Phänomen nur gelegentlich auf und die Steinchen sitzen nicht wirklich tief, was man bei der Bearbeitung sieht, kann man dies beobachten, es ist aber nicht weiter dramatisch.
Ursachen kann es viele geben, ein paar Beispiele:
- Umstellung von Beschlag auf Barhuf
- Bodenveränderungen, an die sich der Huf noch nicht angepasst hat
- Ungleiche Belastung: eine Hufhufhälfte wird überlastet
- Gesteigerte Belastung
Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die weiße Linie/die Wandschichten warum auch immer geschwächt sind, der Zusammenhalt nicht mehr so gut ist und sich dadurch Steinchen festsetzen können. Ist es massiv, sollte deshalb auf Ursachenforschung gegangen werden.
Wir handhaben es bei unseren Kunden so, dass wir schauen, wie tief die Steine sitzen, es sauber ausschneiden und möglichst so bearbeiten, dass sich neue Steinchen nicht so leicht festsetzen können. Die Ursachen sollten natürlich abgestellt werden.
Kommentar schreiben